Bild oben: EVA & ADELE, AUTOPOLAROID, 28.08.1992, Berlin, Polaroid, 10,2 x 10,1 cm © EVA & ADELE und VG Bild-Kunst, Bonn 2018
Wenn sie erzählen, dass sie „aus der Zukunft kommen“ mit ihrer Liebenswürdigkeit, in ihrer Einzigartigkeit, dem gezielt entwaffnenden Lächeln und einer neu definierten Geschlechterrolle, muss man sich in der Tat keine Sorgen um das Morgen machen. Bei ihnen lösen sich strenge, auch manches Mal leidvolle Kategorisierungen von Mann und Frau auf und fließen in eine eigene Dimension: Eva & Adele als eine neue Einheit. Gender war gestern. Geschlechterrollen? Damit wird nur noch gespielt.
Das Künstler-Duo performt heute in Pink, in der gängigen, frühgeprägten Kleinmädchen-Farbe. Wie immer treten Eva & Adele scheinbar eher weiblich und vor allem immer tupfengleich auf: Die kunstvolle Gesichts-Malerei und Kostüme sind en Detail identisch durchkomponiert und feminin bis zu „Wäsche, Mieder, Strümpfen“ –doch die schönen Köpfe sind höchst unweiblich stets glattrasiert! Und wiederum dann fein gepudert. Alle Details der Auftritte seit 2009 werden in sogenannten „Kostüm-Partituren“ (Grafit auf Papier, 30 x 40,5cm) von Eva & Adele festgehalten. Auch die aktuelle Pink-Partitur ist derzeit in der Ausstellung im me collectors room in Berlin zusehen: „Eva & Adele – L’Amour du Risque“, als einer retrospektiven Gesamtinstallation mit Zeichnungen, Malerei, Fotografie, Video und Skulpturen, sowie ihrer selbstentworfenen Kostümen aus den letzten 25 Jahren – kuratiert von Heike Fuhlbrügge.
Die Vita von Eva & Adele ist auch eine Art für sich: Außer der Chronologie der Kunst, ihren aufgeführten Körpermaßen und den Vornamen gibt sie nicht viel mehr preis: Eva ist 1,76 Meter groß, hat sich offenbar nach dem Urweib benannt (und war wohl mal als Mann geboren). Über Adeles Größe von 1,61Meter hinaus sind wir noch über den gemeinsamen Hüftumfang wie der auch von Eva mit jeweils 96 Zentimetern informiert. Vielleicht dazu noch, dass sie sich als Kunststudenten „1989 auf einer italienischen Tanzfläche kennenlernten, in dem wir sechs Stunden am Stück getanzt haben“. Dann nach der Ankunft aus der Zukunft landete das Künstlerpaar als Liebespaar in Berlin: Sie haben nicht nur das Risiko einer dauerhaft versprochenen Liebe auf sich genommen und 1992 in Form einer Performance-Hochzeit geheiratet, sondern sind im Pass als Eva & Adele eingetragen! Seitdem inszenieren sie das Leben als Kunst und Kunst als Leben. Ein wunderbarer Satz, so leicht dahingesagt, kostet zumindest in der Artscene nichts. Die Wirklichkeit ist vermutlich weniger geschmeidig und fordert immense Energie und Disziplin, um diese tägliche Metamorphose zu schaffen und diese extreme Andersartigkeit im Alltag, im Supermarkt oder der U-Bahn unbeschadet zu überstehen. Das geht wahrscheinlich nur, wenn man eine Mission hat: von jetzt bis zurück zur Zukunft. Chapeau … !
Bis zum 27.08.2018 im me collectors room unter www.me-berlin.com
Text: Isabell Flohr