Das berühmte Gemälde „Der Mönch am Meer“ von Caspar David Friedrich (1774 – 1840) gilt als eine weltweite Ikone der romantischen Malerei in Deutschland und lässt verschiedene Motiv-Deutungen zu: Empfindet man den dargestellten Mönch als einsam und den Naturgewalten ausgeliefert? Oder kann man eher spüren, wie er da im Querformat steht, klein und demütig im Einklang mit der Schöpfung, dem Meer und dem mächtigen Himmel über sich? Doch wie man letztlich auf das mittelgroße Werk (110 mal 171,5 Zentimeter) schaut- entweder durch die rosarote Brille oder die mit den düsteren Gläsern – sagt wohl am meisten etwas über die eigene Empfindungslage aus.
Doch das scheint sowieso Realität von gestern, angesichts neuer 3D-Brillen, die die Alte National Galerie in Berlin jetzt aktuell für ihre Besucher installiert hat. Digital wird jetzt die gemalte Welt von Caspar David Friedrich neu erklärt und man taucht ein in die Sonderausstellung: „Mit dem Mönch am Meer – Caspar David Friedrich in Virtual Reality“, bis zum 30. Juni 2019. Diese virtuelle Realität (VR) zeigt jedoch ganz andere Dimensionen als das Original Bild. Die Sinne aufgerüstet mit dem 3D-Helm samt Kopfhörern steht vor uns plötzlich ein lebensgroßer Mann in Mönchskutte (wir haben ihn fast nicht wiedererkannt) und sind genauso wie er umgeben von Möwen, die auf uns zu segeln. Das Ganze ist mit dem Sound von Wasser und Wind unterlegt. Ja, es ist Entertainment, sich um 360 Grad zu drehen und dabei das grenzenlose Meer, den Strand und die Wolken vom Künstler über sich zu erleben. Und entzaubert auch gleich ein bisschen das Werk. Durch die extreme Vergrößerung wirkt die Malerei geradezu scherenschnittartig und verliert vor allem an emotionaler Aufladung. Und ganz nebenbei, es ist schon ein radikales Erleben in dieser virtuellen Welt. Man selbst scheint sich physisch aufzulösen: Der Blick nach unten zeigt die eigenen Füße nicht mehr, in diesem Fall nur noch eine Menge von imaginärem Sand.
Christina Haak, stellvertretende Generaldirektorin der Staatlichen Museen zu Berlin, spricht von einem „Experiment“ und will mit einer begleitenden Studie „Museum 4.0“ nach dem Mehrwert einer generellen Digitalisierung von Museen forschen. Einen Erkenntnisgewinn hat diese VR- Produktion allemal. „Dank differenzierter Röntgenverfahren kann man die Genese eines Bildes sichtbar machen“, erklärt Udo Kittelmann, Direktor der Nationalgalerie. Und so dem Publikum nahebringen, indem man die verschiedenen Malschichten bis zur Ur-Version von 1808 verfolgen und zum Beispiel die drei Segelschiffe dort entdecken kann, die Friedrich dann später übermalt hatte.
Und zum Schluss des 15 minütigen Strand-Trips wenn man den Kopf samt verkabeltem 3D-Helm in den Nacken legt und nach oben schaut, entdeckt man wiederum Erstaunliches. Die Decke zur dritten Etage der Nationalgalerie ist durchbrochen und durch das große Loch im Mauerwerk oben an einer Wand erscheint nun vage das goldgerahmte Bild von Caspar David Friedrich. Und animiert zur Wirklichkeit. Jetzt analog ganz ohne Brille, geht es dann die Treppen rauf in den unversehrten Ausstellungsraum Raum 306. Und tatsächlich- das Bild zieht einen immer wieder in seinen Bann … Die Sonderausstellung läuft in der Alten Nationalgalerie bis zum 30. Juni 2019. www.smb.museum
Isabell Flohr