Die kunstundhelden-Presseschau im März 2019: Okwui Enwezor, koloniales Erbe, Banksy im Museum, Mantegna und Bellini, Karl Lagerfeld, unbekleidete Männer in der Kunst, der Roman „M.“, „The Shed“ und mehr…

kunstundhelden Presseschau Januar 2019 Pexels_Digital Buggukunstundhelden Presseschau Januar 2019 Foto: Pexels, Digital Buggu

Welche Themen dominierten in den letzten Wochen die Feuilletons? Worüber wurde in der Kunstwelt diskutiert, gestritten? Wer hat polarisiert oder war Liebling der Journalisten? Das aus unserer Sicht Wichtigste und Interessanteste im März 2019 hier zusammengefasst und verlinkt zum Nachlesen.

Monopol, Frieze

Zum Tod von Okwui Enwezor

Am vergangenen Freitag wurde bekannt, dass der Kurator Okwui Enwezor im Alter von 55 Jahren gestorben ist. Zuletzt hatte Enwezor für das Münchner Haus der Kunst gearbeitet, war jedoch im Sommer vergangenes Jahr wegen seiner Krebserkrankung vorzeitig von seinem Amt zurückgetreten. In ihrem Nachruf auf Monopol.de erinnert die Chefredakteurin Elke Buhr an den Ausnahme-Kurator: „Sein Intellekt war so ehrfurchterregend wie seine Erscheinung elegant. Okwui Enwezor war einer der besten Kuratoren weltweit…“ (Elke Buhr, Monopol, 15.03.2019) Der 1963 in Calabar (Nigeria) geborene Enwezor kuratierte unter anderem die zweite Johannesburg Biennale, die Documenta 11, die Venedig-Biennale 2015 und folgte im Jahr 2011 auf Chris Dercon ans Haus der Kunst. Dort plante er hochkarätige Ausstellungen für das Museum. In der Münchner Öffentlichkeit wurde Enwezor für seine Amtsführung zum Teil scharf kritisiert – dazu äußerte sich der Kurator unter anderem in einem Interview gegenüber dem Spiegel . Noch bis 28. Juli 2019 ist im Haus der Kunst die letzte von Enwezor geplante Ausstellung zu sehen: die bislang größte Überblicksausstellung des Ghanaischen Künstlers El Anatsui .

Auch Jörg Heiser gedenkt dem verstorbenen Kurator in einem Artikel der Zeitschrift Frieze, und betont dessen außergewöhnliche kuratorische Leistung: „With no overestimation, Enwezor was perhaps the most important curator of his generation, who has paved the way for the next.“ (Jörg Heiser, Frieze, 15.03.2019)

BR 

Umgang mit Kolonialobjekten in deutschen Museen.

Wie mit Kulturgütern aus ehemaligen deutschen Kolonien umzugehen ist, darüber streitet die Kunstwelt nicht erst seit dem kühnen Vorstoß des französischen Staatsministers Emmanuel Macron. (2018 hatte Macron eine Studie zu kolonialen Kulturgütern in französischen Museen in Auftrag gegeben und danach als erste Restitution die Rückgabe von Objekten an den Benin angeordnet, wir hatten hier schon einmal darüber berichtet.) Nun fand in Berlin die Kulturministerkonferenz statt um sich auf Bund- und Länderebene zu einigen, wie in Zukunft mit dem kolonialem Erbe in deutschen Museen umzugehen ist. Eine Lösung ist in Sicht, wie der BR berichtet. Die Rückgabe von Kulturobjekten soll nun aktiv angestrebt werden und auch Abgesandte aus den Herkunftsländern zur gemeinsamen Beratung nach Deutschland eingeladen werden.

Artsy.net

Turbine Hall Tate Modern: Jury wählt Kara Walker für Ausstellung im Oktober 2019

Die amerikanische Künstlern Kara Walker erhält die Carte Blanche für die Turbinenhalle der Tate Modern in London. Walker ist bislang vor allem bekannt für ihre großformatigen scherenschnittartigen Installationen, mit denen sie die Themen wie Rassismus, Sexualität, Machtverhältnisse und Unterdrückung verhandelt. Im Jahr 2014 zeigte sie in der Domino Sugar Factory in Brooklyn die Riesenskultpur „A Subtlety“ – eine Sphinxartige Skulptur bestehend aus 80 Tonnen Zucker. Zur Entscheidung der Tate-Jury äußerte sich der Direktor der Tate Modern Francis Morris so: „Kara Walker fearlessly tackles some of the most complex issues we face today. Her work addresses history and identity with a powerful directness, but also with great understanding, nuance, and wit. Seeing her respond to the industrial scale of the Turbine Hall—and the wider context of London and British history—is a hugely exciting proposition.“ Seit dem Jahr 2000 lädt die Tate Modern jährlich einen Künstler ein, die Turbinenhalle zu gestalten. Louise Bourgeois machte den Anfang, Ai Wei Wei, Olafur Eliasson und andere Künstler folgten, zuletzt die kubanische Künstlerin Tania Bruguera, die mit ihrer Ausstellung die Flüchtlingskrise thematisierte. Die Ausstellungen in der Turbinenhalle werden vom südkoreanischen Autohersteller Hyundai gefördert.

Faz und ZDF

Geschreddertes Bild von Banksy in Staatsgalerie Stuttgart

Man ist sich nicht ganz sicher, worüber sich Kolja Reichert in seinem Artikel in der FAZ mehr echauffiert – das geschredderte Bild „Love is in the Bin“ des Streetart Künstlers Banksy an sich, das er für „uninteressant“ hält oder aber darüber, dass die Staatsgalerie Stuttgart das Bild ausstellt: „Banksy macht die Kunst flach. Und die Staatsgalerie Stuttgart macht gierig mit. Wie verzweifelt kann ein Museum sein?“ (Kolja Reichert, faz.net, 10.03.2019)

Wie sich das Werk von Banksy im Museum neben Rembrandt macht, darüber berichtet auch Adrienne Braun in der Stuttgarter Zeitung in Text und Bewegtbild.

Berliner Zeitung, Der Tagesspiegel

Renaissance Meister in Berlin

Noch bis zum 30. Juni 2019 zeigt die Berliner Gemäldegalerie die Ausstellung „MANTEGNA und BELLINI. Meister der Renaissance“. In der Berliner Zeitung berichtet Ingeborg Ruthe begeistert von der Schau der beiden Meister (Andrea Mantegna *1431 bei Padua, gestorben 1506 in Mantua, sein Schwager Giovanni Bellini *1435 in Venedig und dort 1516 gestorben). Und honoriert auch die Leistung der Ausstellungsmacher, die durch ihre Kooperation der Staatlichen Museen zu Berlin mit der National Gallery, London trotz Brexit-Chaos den europäischen Gedanken aufrechterhalten.

Auch Bernhard Schulz ist im Berliner Tagesspiegel ganz hingerissen davon, dass die Ausstellung der Renaissance-Meister in Berlin gezeigt wird: „Die Ausstellung „Mantegna und Bellini“ in der Berliner Gemäldegalerie ist ein Höhepunkt des Jahres 2019. Nie zuvor wurden ihre Werke so umfassend gezeigt.“ (Gerhard Schulz, Tagesspiegel.de, 1.3.2019) Trotz aller Kritik an der Gemäldegalerie, wie hier in Berlin beide Künstler gemeinsam in einer Ausstellung zu zeigen, bedeutet für Schulz das „Privileg der Museen von Weltrang“.

Frieze 

Hans Ulrich Obrist gedenkt Karl Lagerfeld

300.000 Bücher soll Karl Lagerfeld besessen haben. So berichtet Hans Ulrich Obrist auf frieze.com in seinem Nachruf auf den verstorbenen Modeschöpfer (*1933 in Hamburg, † 2019 in Neuilly-sur-Seine). Der Kurator erzählt über seine Begegnungen mit Lagerfeld und ihre Gespräche, die vor allem durch ihre Liebe zu Büchern und allem auf Papier Geschriebenem, Gemalten oder Gedruckten geprägt waren.

Monopol

Künstler Michael Rakowitz 

Künstler Michael Rakowitz sagt aus Protest Teilnahme an Whitney Biennale ab 

Der US amerikanische Künstler Michael Rakowitz hat seine Teilnahme an der Biennale des New Yorker Whitney Museum abgesagt, da im Museumsvorstand ein Produzent von Tränengas sitzt. In einem Interview mit Saskia Trebing von Monopol spricht der Künstler über „schmutziges Geld im Kunstbetrieb und fordert ethische Richtlinien fürs Mäzenatentum“ (Saskia Treibt, Monopol, 1.3.2019).

Taz, Süddeutsche Zeitung 

Der Roman „M“ von Anna Gien und Marlene Stark 

„M“ heisst der im Verlag Matthes & Seitz Berlin erschienene Debutroman der beiden Autorinnen Marlene Stark und Anna Gien, in dem sie das Leben einer jungen Künstlerin in Berlin schildern: „M. ist das Protokoll einer Ermächtigung des eigenen Körpers, des eigenen Begehrens, und kalter Bericht über das Ausbeutungsgefüge im Kunstbetrieb“ so heisst es auf dem Website des Verlages (Textauszug, „M“, M. Stark, A. Gien, Verlag Matthes & Seitz). In seinem Artikel für die taz hält Ulrich Gutmaier den autobiographisch angehauchten Roman, den er als „drastischen Text“ bezeichnet für gelungen. Und trotz der diagnostizierten Wohlstandsverwahrlosung der Gesellschaft, in der sich die Protagonistin bewegt, empfindet er Spaß an der Lektüre: „Weil es voller treffender Beobachtungen ist und Humor hat.“ (Ulrich Gutmaier, taz.de, 9.2.2019).

Ganz anders sieht das allerdings Brite Mühlhoff in der Süddeutschen Zeitung und titelt: Gilt sexuelle Provokation noch als politischer Protest?“ (Brite Mühlhoff, sueddeustche.de, 3.3.2019) Mühhoff versteht den Roman als gescheiterten feministischen Befreiungsversuch.

Elephant 

Unbekleidete Männer in der zeitgenössischen Kunst 

„What happens when men get naked for art?“ fragt sich Charlotte Jansen für das Elephant Magazine (2.3.2019). Denn während der nackte männliche Körper einst ein populäres Thema in der Kunst war, ist dieses Sujet in der zeitgenössischen Kunst völlig aus der Mode gekommen. Jansen hat sich mit vier Künstler*innen unterhalten, die sich doch mit diesem Thema beschäftigen.

Zeit Online 

Leonardo Da Vinci, kein Erfinder?

Er wird als DAS Universalgenie gefeiert und verehrt: Leonardo da Vinci, der große Meister der Renaissance, der die Mona Lisa und das Abendmahl schuf. Für manch einen mag es desillusionierend sein, was Matthias Eckoldt da auf zeit.de schreibt: „Warum Leonardo kein technischer Erfinder war.“ (Matthias Eckoldt, zeit.de, 13.03.2019). Eckoldt beruft sich vor allem auf den Biograph Giorgio Vasari, der das Wirken Leonardos maßgeblich dokumentierte. Dessen Aufzeichnungen bestätigen zwar, dass Leonardo unzählige Skizzen von Fahrzeugen und Fluggeräten anfertigte – doch ausschließlich motiviert durch zeichnerisches Interesse, so Eckoldt. Die entstandenen Mythen um die angebliche technische Vordenkerschaft Leonardos gründet sich, so der Autor der Zeit, vor allem auf die italienischen Faschisten. Die den Erfinderreichtum des Italieners für sich nutzen wollten, um ihre Vorherrschaft vor anderen Völkern zu untermauern.

artmagazine.cc

Der Kunstsammler Christian Kaspar Schwarm erhält den Art Cologne Preis 2019

2008 gründete der Kunstsammler Christian Caspar Schwarm in Berlin die durch Sponsoring finanzierte Online Plattform Independent Collectors. Auf dem Portal können sich Sammler präsentieren, austauschen und informieren. Für sein Engagement für die Kunst ist der Sammler nun ausgezeichnet worden, schreibt das Artmagazine.cc. Schwarm erhält am 11. April den mit 10.000 Euro dotierten Art Cologne Preis für herausragende Dienste in der Kunstvermittlung.

Zu guter Letzt: ein Reisetipp

Am 5. April eröffnet in New York das neue Kunstgebäude „The Shed„. Im imposanten multifunktionalen Gebäudekomplex werden zukünftig sowohl bildende als auch darstellende Kunst sowie Konzerte und interdisziplinäre Projekte präsentiert. Tickets für einzelne Veranstaltungen sind bereits online erhältlich (das Konzert von Björk ist schon ausverkauft !). Die New York Times schreibt über the shed: „one of the most significant additions to New York City’s cultural landscape in decades…“(Joshua Barone, 8.1.2019)

Bis zum nächsten Mal!

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