Welche Themen dominierten in den letzten Wochen die Feuilletons? Was waren die Aufreger, wer war Liebling der Kultur-Journalisten? Die aus unserer Sicht interessantesten Fundstücke im April 2019 hier zusammengefasst und verlinkt zum Nachlesen.
Der Tagesspiegel, Hyperallergic
Das Gallery Weekend Berlin
Die 15. Ausgabe des Gallery Weekend Berlin ist vorbei (26. bis 28. April 2019). Und wie war es? Etwas zu „konservativ“ findet Boris Pofalla von der Welt: „Will Berlin überhaupt noch das deutsche Zentrum für experimentelle Kunst sein?“ Pofalla begibt sich in seinem Rundgang auf die Suche nach Schockeffekten.
Christiane Meixner vom Tagesspiegel sieht den „Nachwuchs“ der „Berliner Kunstwelt“ bedroht. Denn junge Galerien, die ohnehin schon mit steigenden Mieten in der Hauptstadt zu kämpfen haben, fehle das Geld um am Erfolgskonzept Gallery Weekend teilzunehmen. Und doch sei es gerade der Nachwuchs, der die Zukunft des Kunststandorts Berlin sichert, sprich junge Galerien, die Newscomer Künstler ausstellen. Die Politik ist hier gefragt, findet Meixner: „Vor allem aber müssten Berlins Galeristen von der Politik als Partner wahrgenommen werden, die alles zusammen in die Stadt bringen: Kultur, Gäste und Geld. Dass die drei Faktoren in diesem Fall untrennbar sind, lässt sich seltsamerweise nur schwer vermitteln.“
Bereits im Vorfeld des diesjährigen Berliner Gallery Weekends waren Stimmen laut geworden, die die geringe Ausstellungs-Präsenz von weiblichen Künstlern bemängelten. Eine anonyme Kampagne machte auf diesen Misstand in den letzten Tagen mit Stickern und Plakaten aufmerksam und fragte: „Wieviel Weisswurst geht noch?“, wie Hyperallergic berichtet.
Der Tagesspiegel
Julia Stoschek
Julia Friese vom Tagesspiegel hat mit Julia Stoschek, der „Screen-Queen“ unter den deutschen Kunstsammlern ein langes Interview geführt: „An Julia Stoschek kommt in der Szene niemand vorbei: Zwei Häuser voller Videokunst, amerikanischer Glamour, große Inszenierungen. Und viel Geld….“
Vogue, Die ZEIT
„SEX“ von Anne Imhoff in der Tate Modern
2017 gewann Anne Imhof mit ihrer Aufführung „FAUST“ im deutschen Pavillon auf der Venedig Biennale den Goldenen Löwen. Im März 2019 zeigte sie ihre neue Inszenierung „SEX“ als erste Einzelposition des Performanceprogramms „BMW Tate Live“ in London. Liam Freeman hat die Künstlerin und Lebens- und Arbeitspartnerin, die Balenciaga-Muse Eliza Douglas für die deutsche Ausgabe der Vogue in London zum Gespräch getroffen.
Vice
Die Premiere des neuen Rammstein-Videos: Deutschland
Schon der Trailer zum neuen Video der Band Rammstein hat gelinde ausgedrückt zu hitzigen Debatten geführt. In diesem Ausschnitt waren Mitglieder der Band in KZ-Kleidung am Galgen zu sehen. Antisemitismus-Vorwürfe wurden laut. Entsprechend aufgeregt wurde schließlich auch die Premiere des kompletten Videos erwartet, die am 28. März via YouTube erfolgte. Die Welt scheint sich in Rammstein-Gegner und Fans zu unterteilen. Einer, der so gar nichts vom neuen Video und der Band im Allgemeinen hält ist Felix Dachsel, der sich auf Vice.com sehr eindeutig dazu äussert: „Warum die Volltrottel-Band Rammstein dringend untergehen muss“.
Süddeutsche Zeitung
Neuer Dokumentarfilm „Homecoming“ von Beyonce über ihren Auftritt als erste schwarze Frau beim Coachella Festival
2018 trat die Sängerin Beyonce als erste schwarze Frau als Headlinerin beim größten Popfestival, dem Coachella Festival in Kalifornien auf. Doch Beyonce brachte damit nicht nur eine gigantische Show auf die Bühne, sondern wandelte diese um in ein politisches Statement. Jetzt ist ein ebenfalls von der Künstlerin produzierter Dokumentarfilm auf Netflix und ein Album unter dem Titel „Homecoming“ zu diesem Auftritt erschienen. Für Jens-Christian Rabe ist Beyonce die „perfekte Ikone unserer Zeit“. Er schwelgt in seinem Artikel für die Süddeutsche Zeitung in Superlativen: „Der Film ist eigentlich keine Dokumentation, sondern eine Demonstration. Kein Fest, sondern ein Manifest. Keine Heimkehr, sondern – drunter geht es nicht – ein Ereignis im philosophischen Sinn, ein Geschehen, das den gewohnten Ablauf der Dinge unterbricht, nach dem nichts mehr ist wie zuvor.“
FAZ, Stern
Beatles versus Deutschrapper Capital Bra
Und um gleich im Musikbusiness zu bleiben: Die Beatles sind nicht mehr die erfolgreichste Band Deutschlands! Nein, der Berliner Rapper Capital Bra hat die Briten in Sachen Nummer Eins Hits geschlagen, so berichtet Elena Witzek in der FAZ. „Herzlich willkommen“ und „hochinteressant“ findet Oliver Baer, Geschäftsführer des Vereins Deutscher Sprache diese Entwicklung. Schließlich tummeln sich derzeit neben dem Deutschrapper so viele deutschsprachige Bands wie noch nie auf den Spitzenplätzen der Charts. Wer ihn noch nicht kennt: Capital Bra ist 24 Jahre alt, hat in vier Jahren sechs Alben veröffentlicht und 12 Nummer Eins Hits gelandet. Die Themen seiner Musik sind meist Gewalt, Drogen und Sex. Schockiert? Keine Sorge, im Magazin Stern rückt René-Pascal Weiß das Ganze wieder ins richtige Verhältnis und erklärt, weshalb sich die Erfolge der Band aus Bristol mit dem des Berliners nicht vergleichen lassen. Grund hierfür ist unter anderem das „Streaming“, das eine „Zeitenwende des Musikmarktes“ herbeigeführt hat.
Neue Zürcher Zeitung, Der Spiegel
Kritik an Spenden für den Wiederaufbau von Notre-Dame
Nach dem dramatischen Brand in der Pariser Kathedrale Notre-Dame überbieten sich die Spender in ihrer Großzügigkeit. Innerhalb von zwei Tagen kamen eine Milliarde Euro zusammen und damit mehr Geld als für die fünf größten humanitären Projekte des Roten Kreuzes. Weshalb das zwar „absurd – aber menschlich“ sei, erörtern Christian Kleeb und Haluka Meier-Borst in ihrem Artikel in der NZZ.
Derzeit prominenteste Kritikerinnen an der enormen Spendenbereitschaft für Notre-Dame ist Pamela Anderson. In Marseille verließ sie eine Spendengala zugunsten von Kindern aus Protest vorzeitig, nachdem bekannt gegeben wurde, dass ein Teil der Spenden auch für Notre-Dame eingesetzt werden soll, wie der Spiegel schreibt. Sie sei „wütend und enttäuscht“, da die Kinder das Geld sicherlich nötiger bräuchten als eine Kirche, für die bereits über eine Milliarde Euro gespendet wurde, gab Anderson über ihren Twitter Account bekannt.
Sleek Magazine
Ghanas Premiere auf der diesjährigen Venedig Biennale
Zum ersten Mal ist in diesem Jahr Ghana mit einem Pavillon auf der Kunstbiennale von Venedig vertreten. Unter dem Titel „Ghana Freedom“ wurden sechs in Ghana und der Diaspora lebende Künstler eingeladen für die Kunstschau die Vergangenheit Ghanas zu reflektieren, und gleichzeitig über eine Zukunft des Landes, jenseits des Postkolonialismus, zu spekulieren. „…the pavilion demonstrates that Ghanaian artists long deserve a seat at the international arttable, right here and right now.“ befindet Jareh Das in ihrem Artikel für das Sleek Magazine.
Titel Thesen Temperamente
Julian Schnabels Film über Vincent van Gogh
Für seinem Spielfilm über die letzten Lebensmonate des Malers Vincent van Gogh, hat Regisseur Julian Schnabel eine ungewöhnliche Perspektive auf den Künstler gewählt: Schnabel, selbst Maler, nähert sich dem Künstler zwischen Genie und Wahnsinn an, indem er versucht dessen Schaffensprozess nachzuempfinden. Über diese sehr persönliche Herangehensweise spricht Schnabel im Interview mit ttt. Für seine Darstellung des Malers wurde der Schauspieler Willem Dafoe auf den Filmfestspielen als bester Schauspieler ausgezeichnet.
Süddeustche Magazin (SZ Plus)
Interview mit dem Kunstkritiker Ehepaar Roberts Smith und Jerry Saltz
Die vielleicht einflussreichsten Kunstkritiker unserer Zeit Roberta Smith und Jerry Saltz sind beruflich Konkurrenten und miteinander verheiratet. Die Journalisten Mareike Nieberding und Thomas Bärenthaler haben für das Süddeutsche Magazin (SZ Plus) ein Interview mit dem Paar geführt. Darin sprechen die beiden Kritiker über ihre Arbeit, Neid, ihre unerschöpfliche Liebe zur Kunst und zueinander.
(Nebenbei bemerkt: Wer dachte, er war während des Gallery Weekend auf vielen Ausstellungen…Roberta Smith und Jerry Saltz sehen sich wöchentlich jeweils bis zu 30 Ausstellungen an!)
Bis zum nächsten Mal!